- vorgetragen am 22. Januar 2024 von Pater Willi Klein, mit freundlicher Genehmigung -

GYMNASIUM ST.KASPAR

Vor fast 70 Jahren (1957) wurde in Neuenheerse das humanistische Gymnasium St. Kaspar mit Internat eröffnet. Es war – und es ist ideell weiterhin – ein Projekt der Kongregation der Missionare vom Kostbaren Blut.

St. Kaspar ist nicht „am grünen Tisch“ entstanden. Der Ordensnachwuchs war am Beginn das vordringliche Anliegen. Unsere Ordensprovinz hat damals Ausbildungseinrichtungen in Österreich, Spanien, Portugal und Brasilien, jedoch nicht in Deutschland. In Nordrhein-Westfalen wird einerseits ein Zentralhaus für die dort zerstreut lebenden und wirkenden Missionare und andererseits ein Heim für Kandidaten der Kongregation gesucht. Versuche in Soest, Hagen, Sprockhövel, Paderborn und Altenbeken scheitern. Schließlich ergibt sich die Möglichkeit, in Neuenheerse/Höxter das ehemalige Damenstift, das Schloss, zuletzt ein Seniorenheim, zu kaufen. Es soll als Internat dienen, die Schüler sollen das Gymnasium am Spätberufenen-Seminar Clementinum in Bad Driburg besuchen; anfangs sind es 47 Schüler. Es sollte ein Priesterseminar werden.

Doch bereits zu Beginn gibt es erhebliche Schwierigkeiten: der Rektor des Gymnasiums Clementinum in Bad Driburg nimmt sein Angebot zurück, die Schüler aufzunehmen, da es zu viele geworden sind. Deshalb beschließt die Provinzleitung, im Schloss auch eine eigene Schule für die Unterstufe zu errichten. Dies aber erlaubt Düsseldorf nicht: Um Öffentlichkeitsrecht zu erlangen, „waren wir gezwungen, ein regelrechtes altsprachliches Gymnasium zu eröffnen. Erzbischof Jäger von Paderborn … weihte es am 1. Mai 1957 auf den Namen Kolleg St. Caspar ein.“1 Einer der ersten Schüler hielt eine lateinische Ansprache. Und das Westfälische Volksblatt schreibt: „Nach einem Intervall von fast 200 Jahren schritt am Mittwoch wieder der Oberhirte des Bistums über die breite Brücke der Gräfte, um die Kapelle des Hauses zu benedizieren und all die Räume zu segnen, die für die neue Zweckbestimmung umgestaltet wurden.“2

Der erste Rektor, P. Bräunlich, schreibt: „Ich fuhr oft nach Düsseldorf zur Regierung und nach Münster zum Schulkollegium. Überall musste ich um Erlaubnis bitten, eine Schule zu errichten und Schüler aufzunehmen … Aus Paderborn schickte man uns 40 Schüler, die aus Polen stammten und Deutsch lernen sollten … [Eines der Nebengebäude] wurde dem Direktor zur Verfügung gestellt, den ich durch eine Annonce gewonnen hatte. Es hatten sich 30 gemeldet, aber nur er besaß die Voraussetzungen für das neue Amt; er hatte die nötigen Qualitäten … Aus Hamburg holte ich eine Studienrätin, die den Direktor schon von früher kannte. Sie heirateten; ich traute sie und taufte auch das erste Kind.“3

Im Jahr 1958 wird der Verein der Freunde des Gymnasiums St. Kaspar gegründet. Unter anderem fördert dieser die wissenschaftliche und musische Ausbildung an der Schule, den Sport, Buchprämien für herausragende Leistungen, Schülerfahrten zu Theater- und Musikveranstaltungen, die Schülerbücherei, die Anschaffung von Medien und Musikinstrumenten.

Vier Jahre nach der Gründung von St. Kaspar bestehen die 5. bis 8. Schulstufe, es sind es 133 Schüler, davon 96 Internatsschüler – alles samt Turnhalle im Schloss!

Die Missionare beginnen mit dem Neubau eines Schulgebäudes, zunächst die Räume für die ersten drei Jahrgänge und für die Schulleitung, auch eine Turnhalle wird gebaut. 1962 ist der zweite Bauabschnitt der Schule fertig: „Br. Albert hat sich größte Verdienste um den Neubau erworben. Er hat praktisch mit zwei Arbeitern den zweiten Bauabschnitt gebaut. Zwei Klassenzimmer, Physiksaal und Zeichensaal werden diese Woche eingerichtet.“4

Schließlich wird am 30. Dezember 1963 das Gymnasium St. Kaspar offiziell staatlich anerkannt, dies ist insbesondere dem persönlichen Einsatz des Schulleiters Dr. Schneider zu verdanken; in der Folgezeit entwickelt er das Modell „Altsprachliches Gymnasium mit neusprachlichem Zweig“ für kleinere Gymnasien.

Das anfängliche „Kleine Seminar“ für Ordensnachwuchs hat sich mehr oder weniger freiwillig während der ersten sechs Jahre seines Bestehens wie ein Chamäleon in ein katholisches Gymnasium mit Öffentlichkeitsrecht verwandelt.

Innerhalb unserer Ordensgemeinschaft regt sich aber auch Wiederstand gegen diese Entwicklung. Da wir kein Schulorden sind, sind die Patres für ein solches Projekt in keiner Weise vorbereitet, sie müssen alles Schritt um Schritt lernen. Die anfängliche Absicht tritt immer mehr in den Hintergrund, äußere Umstände geben dem Unternehmen im Lauf der Jahre eine nicht beabsichtigte Dimension, das Projekt wird immer mehr zu einer personellen und finanziellen Belastung für die Ordensprovinz. Das Gymnasium indessen ist vom Beginn an ein in der Bevölkerung geschätztes kirchliches Privatgymnasium.

Die Klassen- und Schülerzahl steigt von Jahr zu Jahr an. Da die rein humanistische Ausrichtung auf die Dauer eine zu schmale Grundlage für den Bestand und die Entwicklung der Schule bildet, wird Ostern 1965 ein neusprachlich-romanischer Zweig angegliedert.

Im Oktober 1966 erreicht dann die erste Abiturklasse ihr Ziel: „Am 22. Oktober wurde dann im Beisein der Vertretungen der kirchlichen und weltlichen Behörden die Abschlussfeier abgehalten. Es ist sehr erfreulich, dass sich von 15 Abiturienten vier für das Theologiestudium entschieden haben. Davon werden zwei Abiturienten in unserem Noviziat auf dem Schellenberg eintreten.“5

Inzwischen ist das Schloss auch als Wohnstätte für die Internatsschüler zu klein. Die Missionare beschließen trotz aller Bedenken, nicht nur die Schule auszubauen, sondern auch ein neues Internat zu errichten, das 180 Schüler aufnehmen kann. Das Ganze wird später ein großes Sorgenkind und schweres Erbe für die gesamte Ordensprovinz.

Am 23. März 1969 konsekriert Kardinal Jäger von Paderborn die neue Internats-Kapelle Christ König. Gleichzeitig gelangen die Arbeiten am Schulgebäude zum Abschluss. Nach vier Jahren Bauzeit sind alle Internatsgebäude fertiggestellt. Außer dem Rektor sind fünf Missionare an der Schule als Religionslehrer und im Internat als Präfekten tätig. 1969 kommen aus Jugoslawien die ersten vier A.S.C.-Schwestern der Provinz Nazareth/Banja-Luka nach St. Kaspar und sorgen für das leibliche, nicht selten auch für das seelische Wohl der Jugendlichen. Während 31 Jahren werden insgesamt 21 Ordensschwestern aus Bosnien und Kroatien im Internat Dienst tun. Das Schloss wird weiterhin für die Verwaltung, für das deutschlandweite Schriftenapostolat der Missionare und für Wohnraum genützt.

Zum Schuljahr 1970/71 wird die Schule auch für Mädchen geöffnet. In dieser Zeit werden etwa 320 Schüler und Schülerinnen unterrichtet, 150 „Jungs“ leben im Internat. Anfangs-Fremdsprache ist jetzt nicht mehr Latein, sondern Englisch.

Seit Beginn der 70er Jahre geben Lehrer und Schüler fast jedes Jahr die Schulzeitung „Die Gräfte“ heraus, in der sie ausführlich von ihrer Arbeit und über Ereignisse während des vergehenden Jahres berichten; im Jahr 2000 wird „Die Gräfte“ über 100 Seiten umfassen!

Im Juli 1982 findet eine Festwoche unter dem Titel „25 Jahre Schule und Internat St. Kaspar – Auftrag und Erfüllung“ statt.

Provinzial P. Anton Loipfinger macht in seiner Ansprache deutlich, dass das Werk des heiligen Kaspar, das Gymnasium, weiter leben soll. Er betont: „Die Treue des Ordensgründers zur Kirche, sein Vertrauen auf die Erlösung im Blut des Herrn und seine Opferbereitschaft sind heute genau so nötig wie vor 150 Jahren … Was anderen Ordensgemeinschaften [den Schulorden] … geläufig und vertraut ist, musste von uns erst erarbeitet, erfahren, erlebt und erlitten werden …

Ich möchte nun auf die Frage eingehen, wie wir unseren Auftrag für Schule und Internat verstehen. Wir handeln aus jenem Verständnis heraus, das über viele Jahrhunderte in der Kirche zum Wohl der Menschen geübt wurde. Ja, man kann sagen, dass die Orden und die Kirche über längere Zeit hin geradezu einen Vorrang auf dem Gebiet der Erziehung und Bildung innehatten … Die vergangenen … Jahre haben uns gezeigt, dass wir mit unserem christlichen Erziehungsauftrag mitten im Strom der Zeit stehen. Es gibt hier keine Insel der Seligen, sondern das Stehen in und, wenn nötig, gegen die Zeitströmung … Hier bedarf es der Partnerschaft von Eltern, Schülern und Lehrern.

Die steigende Zahl der Schüler und die Feststellung, die Schüler nicht selten treffen, dass die Jahre an St. Kaspar wertvolle Zeiten waren, sind als Bestätigung zu sehen. Auch ist das Gute getan zu haben Erfolg. Der Philosoph Max Scheler drückt es mit Worten aus: „Das Gute hat seinen Wert auf dem Rücken“… Möge dieser unser Dienst stets ein Beitrag sein für eine Welt, in der die Ziele christlicher Erziehung, Verantwortung vor Gott und den Menschen zu tragen, dringend gebraucht werden!“6

Diese Worte können wir für den heutigen Tag als prophetisch bezeichnen!

Im März 1986 findet eine Wallfahrt des Lehrerkollegiums und der Angestellten von St. Kaspar nach Rom statt.

Trotz der finanziellen und personellen Belastung durch St. Kaspar kann die Ordensprovinz zugleich im Süden Deutschlands eine Bildungseinrichtung für Jugendliche und Neugründungen in Polen und dem damaligen Jugoslawien ermöglichen.

Die Provinz beschließt 1988 den Verkauf eines Teiles ihrer Niederlassung in Neuenheerse, nämlich des Schlosses, des Wirtschaftsgebäudes und der Schlosswiese mit Garage.

Während der „Festwoche 40 Jahre Schule und Internat St. Kaspar“ findet ein internationales Seminar der C.PP.S. und der A.S.C. zum Thema „Die Spiritualität des Blutes Christi und die Erziehung“ statt. Schwerpunkt ist das Suchen nach Wegen, wie die Spiritualität in die Erziehung von jungen Menschen einfließen kann. Missionare, Schwestern, Lehrer, Eltern und Schüler von Schulen in Spanien, Brasilien, Chile und Peru, die in Trägerschaft der Kongregation sind, nehmen daran teil.

Im Sommer 2000 wird das immer weniger benötigte Internat geschlossen. Im Lauf der Jahre sind aus dieser Internatsgemeinschaft fünfzehn junge Männer hervorgegangen, die sich für das Priesteramt entschieden haben. Im ehemaligen Oberstufengebäude wird das Jugendhaus eingerichtet. Die beiden anderen Internatsgebäude, Kapelle und Speisesaal können als Wohnung für die Missionare, Mietwohnungen und für den Schulbetrieb genutzt werden. Zeitweise wurden Räume auch anderweitig vermietet: für eingewanderte „Russland-Deutsche“, für syrische Familien, für „unbegleitete Jugendliche“ aus Afrika oder für „Minderjährige Asylsuchende“, die unser Gymnasium besuchen konnten.

Ende 2001 geht am Schulgebäude die Photovoltaik-Anlage von 300m2 und 20.000 KWh Jahresleistung ans Netz – sie ist ein Beitrag der Schule zum Umweltschutz, der Erlös daraus ist für unsere Mission in Brasilien bestimmt.

Für das Gymnasium wurden im Lauf der vergangenen Jahre die Stiftungen Dickgreber und Schröder errichtet. Da unsere Ordensprovinz die Trägerschaft für das Gymnasium personell und finanziell nicht mehr aufrechthalten kann, übernimmt schließlich am 1. Januar 2024 die St. Kaspar-Schulstiftung die Trägerschaft. Die Ordensprovinz investiert in diese ein beachtliches Startkapital.

Mit enormem Einsatz ermöglichen die Missionare P. Josef Klingele und P. Thomas Wunram seit vielen Jahren sowohl die Weiterführung des Gymnasiums als auch die Nutzung der ehemaligen Internatsgebäude; beide unterrichten auch verschiedene Fächer in der Schule, sie sind in der Pfarrseelsorge und der Notfallseelsorge engagiert, die P. Wunram im Regierungsbezirk Detmold aufgebaut hat.

In den vergangenen Jahren wurde vom Kollegium zusammen mit den Missionaren das Leitbild7 für das Gymnasium mit den folgenden Schwerpunkten entwickelt:

Orientiert an der Tradition des Gymnasiums St. Kaspar:

  • Cura personalis – Für das Heil aller Sorge tragen
  • Cura communitatis – Verantwortung für die Gemeinschaft übernehmen
  • Cura creationis – Die Lebenswelt als Gottes Schöpfung achten

verpflichten wir uns folgenden Zielen:

  • Wir schützen die Würde jedes Einzelnen als Geschöpf Gottes.
  • Wir verpflichten uns der Frage nach Gerechtigkeit.
  • Wir halten die Frage nach Gott wach.
  • Wir fördern gelingendes und zukunftsorientiertes lernen.


Mögen die Verantwortlichen der Stiftung und viele unterstützende Männer und Frauen in Zukunft dieses Erbe verantwortungsvoll weiterführen, zum Wohl vieler junger Menschen!

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